Rückkehr und Auswanderung

Nur wenige Jüdinnen und Juden überleben die Verfolgung. Einige kehren aus Lagern zurück, andere haben sich erfolgreich versteckt, ihre Identität verborgen oder sich rechtzeitig ins Ausland gerettet. Die meisten von ihnen haben alles verloren: Familien sind auseinandergerissen und viele Angehörige ermordet worden. Viele der Geretteten sind heimatlos, haben weder Wohnung noch Kleidung und sind auf Hilfen angewiesen. Häufig entscheiden sie sich, in andere Länder auszuwandern.

Heimatlos – Samuel Bak

Der 12-jährige Samuel Bak überlebt gemeinsam mit seiner Mutter Mitzia Bak in einem Benediktinerkloster in Wilna (litauisch: Vilnius). Die Großeltern und der Vater sind erschossen worden. Mitzia und Samuel Bak sind einige der wenigen Überlebenden der einst großen jüdischen Gemeinde in Wilna. Die ständige Todesangst und die Erlebnisse im Ghetto prägen ihr weiteres Leben. Nun fürchten Mutter und Sohn eine Zukunft in der sowjetischen Diktatur. Sie fliehen aus Litauen, um nach Palästina auszuwandern. Über Polen reisen sie mit gefälschten Passierscheinen nach Berlin. Im Herbst 1945 kommen sie in einem Lager für Displaced Persons (DPs) in Landsberg am Lech unter. Samuel Bak erhält in München eine Kunstausbildung. Seine Mutter heiratet Natan Markowsky, den sie im DP-Lager kennengelernt hat. 1948 kann die Familie endlich nach Israel ausreisen. Später wird Samuel Bak ein erfolgreicher Künstler.

„Als uns die Sowjets 1944 befreiten, waren wir zwei von zweihundert Überlebenden in Wilna – einer Gemeinde, die 70 oder 80 Tausend Menschen gezählt hatte.“

Samuel Bak in einem Vortrag, 2002

 

Rückkehr ohne die Familie – Alice Löwenthal

Alice Löwenthal überlebt in mehreren Verstecken in Berlin und Umgebung. Die Schlüssel zu ihrer Wohnung in Berlin-Prenzlauer Berg trägt sie bei sich. Diese haben ihr stets die Hoffnung gegeben, zurückkehren zu können. Sie findet nach dem Krieg das Haus unzerstört vor und kann die Wohnungstür mit dem Schlüssel öffnen. Allerdings leben dort fremde Menschen. Kurz darauf erhält sie die Wohnung zurück. Alice Löwenthal erfährt, dass ihre Töchter Ruth und Brigitte im August 1944 nach Auschwitz deportiert und ermordet worden sind. Sie hatte die Kinder einer Familie in Weimar anvertraut, da in ihrem Versteck in Strausberg bei Berlin die Nachbarschaft misstrauisch geworden war. Über den Verlust ihrer Kinder kommt Alice Löwenthal nie hinweg. Auch ihr Mann kehrt nicht aus Auschwitz zurück. Sie heiratet 1947 Willy Nickel, den Sohn ihrer Helferin. Im Jahr darauf wird die gemeinsame Tochter Eva geboren.

Streit um die Kinder – Die „Affäre Finaly“

Die Brüder Robert und Gérald Finaly überleben versteckt im Kinderheim in Grenoble in der Obhut der Katholikin Antoinette Brun. Die Eltern der Kinder, Fritz und Anni Finaly, sind 1944 deportiert und in Auschwitz ermordet worden. Ein Sorgerechtsstreit entbrennt, als die Heimleiterin sich nach dem Ende des Krieges weigert, die jüdischen Waisenkinder ihren Tanten in Neuseeland und Israel zu übergeben. Sie lässt die Kinder 1948 taufen. 1950 werden sie per Gerichtsbeschluss den Angehörigen zugesprochen. Antoinette Brun gibt sie dennoch nicht heraus. Da die Kinder durch ihre Taufe als Katholiken gelten, erhält sie dabei Unterstützung von Kirchenvertretern. Katholische Geistliche verstecken die Finaly-Kinder und bringen sie heimlich nach Spanien. Die Affäre weitet sich zu einem Skandal aus. Erst nach anhaltendem öffentlichem Druck können Robert und Gérald Finaly im Sommer 1953 nach Israel ausreisen.

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