Fluchthilfe

Seit 1941 ist eine legale Auswanderung aus Deutschland und den verbündeten und besetzten Ländern nahezu unmöglich. Die Grenzen in Europa sind abgeriegelt und streng bewacht. Mutige Menschen verhelfen verfolgten Jüdinnen und Juden zur Flucht. Ziele sind vor allem die Schweiz, Spanien, Schweden, das britische Mandatsgebiet Palästina und Nord- und Südamerika. Die Fluchthelferinnen und -helfer riskieren dabei Bestrafung, denn sie können jederzeit in Kontrollen geraten. Schleusergruppen beschaffen Papiere, organisieren Quartiere und bringen Flüchtlinge über die Grenze, teils über Gebirgspässe oder das Meer. Nicht immer sind die Schleuserinnen und Schleuser zuverlässig. Häufig verlangen sie viel Geld für ihre Hilfe.

Rettung aus Dänemark

Im September 1943 sollen die dänischen Jüdinnen und Juden deportiert werden. Der deutsche Reichsbevollmächtigte in Dänemark, Werner Best, organisiert ihre Verschleppung. Sein Mitarbeiter Georg Ferdinand Duckwitz gibt den Termin der Razzia allerdings an dänische Politiker weiter. Schließlich erreichen Warnungen uber die deutschen Pläne die jüdischen Gemeinden, die sie an ihre Mitglieder weitergeben. Die meisten von ihnen können ihre Häuser rechtzeitig verlassen. Einige Hundert werden festgenommen und ins Ghetto Theresienstadt verschleppt. Über 7.000 Jüdinnen und Juden gelingt jedoch die Flucht. Meist bringen sie dänische Fischer mit ihren Booten über die Meerenge Öresund nach Schweden.

Fluchthilfe durch das Emergency Rescue Committee

Der US-amerikanische Journalist Varian Fry arbeitet in Marseille für die Fluchthilfeorganisationen „Emergency Rescue Committee“ (ERC). Das ERC setzt sich zum Ziel, Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle zu retten. Bis 1942 gelingt es der Organisation zwischen 1.000 und 1.500 jüdischen und nichtjüdischen Verfolgten zur Flucht aus Frankreich zu verhelfen. Sie werden illegal über Spanien nach Portugal geschleust und gelangen von Lissabon mit Schiffen in die USA. Fry und seine Helferinnen und Helfer organisieren Visa, gefälschte Pässe und illegale Grenzübertritte. Wegen seiner Aktivitäten gerät Fry in Konflikt mit dem Vichy-Regime in Südfrankreich, das mit dem Deutschen Reich kollaboriert. Im September 1941 wird er aus Frankreich ausgewiesen.

„Wir ergeben uns nicht. Wir haben eine Aufgabe. Unsere Aufgabe ist jetzt, aus dieser Falle zu entkommen. Wir müssen uns selber retten … wir müssen versuchen, uns gegenseitig zu retten.“

Lisa Fittko in ihrer Autobiografie, 1992

 

Grenzpolizist Paul Grüninger

Paul Grüninger ist Leiter der Kantonspolizei in St. Gallen und zuständig für Flüchtlingsangelegenheiten. Die Schweiz schließt im August 1938 die Grenze zum Deutschen Reich. Trotzdem gelingt es Grüninger und seinen Helfern, weiterhin jüdische und nichtjüdische Verfolgte über die Grenze zu lassen und dafür zu sorgen, dass sie nicht wieder ausgewiesen werden. Er missachtet dabei offizielle Weisungen. Grüninger fälscht Einreisegenehmigungen oder datiert die Einreise auf einen Zeitpunkt vor Schließung der Grenzen. Dadurch ist der Status der Flüchtlinge scheinbar legal. Er rettet mehrere Hundert Verfolgte vor der nationalsozialistischen Verfolgung und Ermordung. 1939 wird Paul Grüninger fristlos entlassen und 1940 vom Bezirksgericht St. Gallen wegen Amtspflichtverletzung und Urkundenfälschung zu einer Geldstrafe verurteilt.

„Es ging darum, Menschen zu retten, die vom Tod bedroht waren. Wie hätte ich mich unter diesen Umständen um bürokratische Erwägungen und Berechnungen kümmern können?“

Paul Grüninger in seinem Lebenslauf, 1954

 

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