Gefälschte Papiere

Für die Flucht oder ein Leben unter falschem Namen sind Ausweispapiere unabdingbar. Um eine glaubwürdige Identität vorzutäuschen, müssen verschiedene Papiere wie Ausweise, Pässe, Taufscheine, Geburtsurkunden, Führerscheine und Zeugnisse gefälscht werden. Manche Verfolgte sind dabei handwerklich sehr geschickt. Sie fälschen zunächst Papiere für sich selbst und dann für andere Verfolgte. Widerstandsgruppen richten Fälscherwerkstätten ein, in denen auch professionelle Grafikerinnen und Grafiker arbeiten, die sehr viele Dokumente fälschen. Unzählige gerettete Jüdinnen und Juden verdanken ihnen ihr Leben.

Gemeindesekretärin Jeanne Barnier

Die 20-jährige Jeanne Barnier arbeitet ab April 1939 als Sekretärin im Rathaus von Dieulefit in der Region Auvergne-Rhône-Alpes. Sie stellt Hunderte von Ausweispapieren mit falschen Angaben für verfolgte Jüdinnen und Juden aus. Dazu benutzt sie Formulare, Blanko-Dokumente und die im Amt vorhandenen offiziellen Stempel. Der Leiter der örtlichen Gendarmerie hilft ihr mehrfach. Als sie bei ihm den Diebstahl eines Stempels melden muss, gibt er ihr Ratschläge, wie sie sich bei den Verhören verhalten soll.

Adolfo Kaminsky und das Fälscherbüro der „Sixième“

Adolfo Kaminsky (*1925), selbst als Jude verfolgt, fälscht Papiere für andere Verfolgte. Seine Mutter kommt kurz nach der Besetzung Frankreichs zu Tode. Er ist überzeugt, dass sie ermordet worden ist. Daraufhin beteiligt sich der Färberlehrling an Sabotageaktionen einer Widerstandsgruppe in der Normandie. Er baut Zünder und mischt Chemikalien, mit denen Leitungen und Schienen beschädigt werden. Adolfo Kaminsky taucht später in Paris unter. Dabei kommt er in Kontakt mit der jüdischen Widerstandsgruppe La Sixième (die Sechste). Wegen seiner Chemiekenntnisse wird er als Fälscher angeworben. Mit immer ausgefeilteren Methoden stellt er Tausende Ausweispapiere her. Er wird nie enttarnt.

„Wach bleiben, so lange wie möglich. Die Müdigkeit niederringen. Die Rechnung ist einfach: In einer Stunde kann ich 30 falsche Ausweise herstellen. Wenn ich eine Stunde schlafe, sterben 30 Menschen.“

Adolfo Kaminsky in seinen Erinnerungen, 2011

 

Fälscherwerkstatt Persoonsbewijzencentrale

Die Persoonsbewijzencentrale (Personalausweis-Zentrale, PBC) ist wahrscheinlich die größte Fälscherwerkstatt in den deutsch besetzten Gebieten. Ins Leben gerufen hat sie der Bildhauer Gerrit van der Veen. Viele Mitglieder der Gruppe sind Jüdinnen und Juden. In der Werkstatt in Amsterdam werden ab 1942 insgesamt etwa 65.000 gefälschte Personaldokumente und Zehntausende andere Dokumente hergestellt. Die Gruppe verübt auch Raubüberfälle, um Blanko-Ausweise und Lebensmittelkarten zu beschaffen. Nach einem Anschlag auf das Amsterdamer Melderegister Ende März 1943 werden die am Anschlag Beteiligten festgenommen. Im Mai 1944 versuchen Mitglieder der PBC diese aus dem Gefängnis Weteringschans zu befreien. Daraufhin werden die meisten Mitglieder der Gruppe, darunter auch van der Veen, erschossen.

Der Autodidakt Cioma Schönhaus

Cioma (Samson) Schönhaus, selbst als Jude verfolgt, will sich gegen die Verfolgung anderer Jüdinnen und Juden wehren. Er kommt in Kontakt mit evangelischen Christinnen und Christen in Berlin-Dahlem, die Verfolgte unterbringen und versorgen. Für sie beginnt er Papiere zu fälschen. Dabei kommt ihm seine begonnene Grafikerlehre zu Gute.

Im September 1942 taucht er unter. Schönhaus gibt sich eine Tarnidentität und fälscht für sich selbst Ausweispapiere. Als er diese verliert, wächst die Gefahr, entdeckt zu werden. Helene Jacobs aus dem Helferkreis versteckt ihn in ihrer Wohnung in Berlin-Wilmersdorf, wo er das „Umarbeiten“ von Ausweisen fortsetzt. Insgesamt fälscht er rund 200 Ausweispapiere. Als Jacobs und andere Mitglieder des Helferkreises 1943 verhaftet werden, entkommt Schönhaus einer Festnahme nur knapp. Mit dem Fahrrad flieht er in die Schweiz.

Widerstandskämpfer René Babaz

René Babaz (1899–1974) ist im französischen Widerstand in Lyon und Paris aktiv. Gemeinsam mit seinem Sohn Robert fälscht er Stempel, Personalausweise, Pässe, Formulare und Urkunden aller Art. Die Papiere helfen Verfolgten im Untergrund zu überleben. Darüber hinaus versorgt Babaz sie auch mit Lebensmittelmarken. Bestellungen für benötigte Dokumente werden bei der Mutter von René Babaz abgegeben. In ihrem Haus finden auch geheime Treffen statt. Im März 1944 wird sein Sohn Robert festgenommen und am 2. September im KZ Natzweiler erschossen. René Babaz kann die Fälscherutensilien aus der Wohnung retten. Im Juli 1944 entgeht er selbst bei einer Durchsuchung im Haus seiner Mutter nur knapp der Festnahme.

Fälscherwerkzeuge

Für die Herstellung von gefälschten Ausweispapieren sind vielfältige Materialien und Werkzeuge notwendig: Mit Druckerpressen werden Formulare und Blanko-Ausweise täuschend echt nachgedruckt. Offizielle Stempel von Polizei und Behörden werden teils nachgebildet oder über Beziehungen aus offiziellen Beständen beschafft. Mit dem „Tintentod“ können mit Tinte geschriebene Namen aus Dokumenten entfernt werden, um dann Tarnnamen einzusetzen.

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