Persönlichkeiten

Wer Verfolgten hilft, stellt sich gegen die Mehrheitsgesellschaft. Viele Helferinnen und Helfer handeln aus eigenem Antrieb und bieten Jüdinnen und Juden aktiv ihre Hilfe an. Andere helfen, weil sie Verfolgte persönlich kennen oder um Hilfe gebeten werden. Weltanschauliche und politische Motive sind ebenso von Bedeutung für ihr Handeln wie spontanes Mitgefühl. Einige lehnen von Anfang an den Nationalsozialismus ab und helfen frühzeitig. Andere entschließen sich erst im Laufe des Kriegs und angesichts der brutalen Verbrechen zur Hilfe. Die psychische und materielle Belastung für Helfende angesichts von Not, Krieg und drohender Verfolgung ist groß.

Elisabeta Nicopoi – Textilarbeiterin

Die 21-jährige Elisabeta Nicopoi aus Jassy (Iaşi) hilft vielen ihrer jüdischen Kolleginnen und Kollegen in der Textilfabrik sowie Jüdinnen und Juden aus der Nachbarschaft. Am 28. Juni 1941 und den darauffolgenden Tagen verüben rumänische Militär- und Polizeieinheiten und Zivilisten gemeinsam mit Soldaten der Wehrmacht ein Massaker an den Jüdinnen und Juden in Jassy. Insgesamt werden etwa 8.000 Menschen ermordet.

Elisabeta Nicopoi warnt Jüdinnen und Juden vor den gewaltsamen Ausschreitungen, wodurch sie vielen das Leben rettet. Sie versteckt 20 Menschen in einem Lagerraum, darunter ihren Kollegen Marcus Ştrul, seine Eltern und Geschwister. Als Juden aus der Stadt zur Zwangsarbeit verschleppt werden, bringt sie ihnen Lebensmittel und Kleidung. Das gilt als Unterstützung von Staatsfeinden. Gendarmen nehmen sie fest, halten sie mehrere Tage gefangen und misshandeln sie. An den Folgen leidet sie lebenslang.

Anton Schmid – Feldwebel der Wehrmacht

Der Feldwebel Anton Schmid aus Wien leitet seit September 1941 eine Wehrmachtsdienststelle in Wilna. Zu dieser Zeit haben die Massenerschießungen von Jüdinnen und Juden in Litauen durch deutsche SS-Angehörige und litauische Hilfstruppen bereits begonnen. Schmid begegnet zufällig zwei jüdischen Verfolgten und hilft ihnen. Er stattet sie mit einer neuen Identität und Arbeitsstellen aus. In seiner Dienstwohnung versteckt er weitere Verfolgte und trifft sich mit Angehörigen von Widerstandsgruppen aus dem Ghetto Wilna. Schmid nutzt seine Stellung bei der Wehrmachtsdienststelle und setzt Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto zu Zwangsarbeiten ein, um sie vor der Ermordung zu schützen. Er schafft sogar mehr Arbeitsstellen und stellt etwa weitere 150 Personen ein. Er organisiert Papiere und schmuggelt mit einem Dienstlastwagen etwa 300 Jüdinnen und Juden aus dem Ghetto und der Stadt hinaus. 1942 wird Anton Schmid für die geleistete Hilfe von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt und erschossen.

Oskar Schindler – Unternehmer

Der Unternehmer Oskar Schindler übernimmt 1939 im deutsch besetzten Krakau eine Emaillewarenfabrik. Ab 1941 beschäftigt er jüdische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus dem Krakauer Ghetto. Schindler – zunächst Befürworter des Nationalsozialismus – wird Augenzeuge gewaltsamer Verfolgung im Ghetto. Er versucht, seine Arbeitskräfte zu schützen. Nach der Ghettoräumung im März 1943 werden die überlebenden Ghettoinsassinnen und -insassen in das Zwangsarbeitslager Plaszow in Krakau verlegt. Schindler ringt dem Lagerleiter Amon Göth die Erlaubnis ab, seine Arbeitskräfte auf dem Gelände der Emaillefabrik unterzubringen. Damit schützt er sie vor dem Terror im Lager und vor der Deportation. Mit der Räumung des Lagers Plaszow 1944 muss Schindler seinen Betrieb nach Brünnlitz (Brněnec) verlegen. Erneut verhandelt er erfolgreich und kann die jüdischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter mitnehmen. Seine Frau Emilie kümmert sich um ihre Versorgung. Insgesamt rettet das Paar auf diese Weise mindestens 1.100 Menschen.

Carl Lutz – Schweizer Diplomat

Carl Lutz organisiert in Ungarn eine der größten Rettungsaktionen während des Zweiten Weltkriegs. 1942 wird er als Vizekonsul an die Schweizerische Botschaft in Budapest entsandt. Im März 1944 marschieren deutsche Truppen in Ungarn ein. Mit ungarischer Unterstützung werden nun innerhalb von wenigen Wochen über 400.000 Jüdinnen und Juden in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. Der Schweizer Diplomat Lutz vertritt auch die Interessen Großbritanniens in Ungarn und führt Listen für die Auswanderung in das britische Mandatsgebiet Palästina. Für 7.800 Menschen erhält er Auswanderungszertifikate. Um sie vor der Deportation zu schützen, stellt er ihnen ohne Genehmigung der Schweizer Behörden Schutzbriefe aus. Indem er die Nummern der Zertifikate mehrfach vergibt, kann er Tausende Schutzbriefe zusätzlich ausgeben. Zudem sind zahlreiche Fälschungen im Umlauf. Im Budapester Ghetto stellt Carl Lutz 76 Häuser unter diplomatischen Schutz. Mehr als 30.000 Jüdinnen und Juden sind dort untergebracht, werden verpflegt und unterstützt. Dem Engagement von Carl Lutz verdanken bis zu 62.000 Jüdinnen und Juden ihr Leben.

Maria von Maltzan – Tierärztin

Maria von Maltzan lebt in Berlin und lernt 1939 den jüdischen Schriftsteller Hans Hirschel kennen. Die beiden werden ein Paar. Ab 1942 lebt Hans Hirschel versteckt bei seiner Freundin. Mitte 1943 wird Maltzan denunziert. Die Gestapo durchsucht stundenlang ihre Wohnung. Hirschel versteckt sich in letzter Minute in einer dafür vorbereiteten Klappcouch. Dank ihrer Schlagfertigkeit kann Maria von Maltzan die Gestapomänner daran hindern, die Couch zu öffnen. Hirschel bleibt unentdeckt.

Später nimmt Maltzan weitere Verfolgte auf. Sie leitet ein Tierheim und arbeitet in Schlachthöfen. Dadurch kann sie Lebensmittel für Untergetauchte und Medizin für Kranke organisieren. Zusammen mit dem Helferkreis der schwedischen Victoria-Gemeinde in Berlin-Wilmersdorf verhilft Maltzan Jüdinnen und Juden zur Flucht nach Schweden. Mit Hans Hirschel erlebt Maria von Maltzan das Kriegsende in Berlin.

„Keine Schrecksekunde zu kennen, ist manchmal lebensrettend.“

Maria von Maltzan in ihrer Autobiografie, 1986

 

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