Plateau Vivarais-Lignon

Zuflucht in den Bergen

Das Plateau Vivarais-Lignon liegt im Zentralmassiv in Südfrankreich. Die Menschen in dieser abgelege­nen Region beherbergen während des Krieges bis zu 5.000 Verfolgte, überwiegend Jüdinnen und Juden. Die meisten sind aus dem deutsch besetzten Norden Frankreichs oder aus anderen Ländern dorthin geflohen. Der Großteil der einheimischen Bevölkerung gehört der protestantischen Minderheit in Frankreich an. Ihre Vorfahren sind einst selbst wegen ihres Glaubens verfolgt worden. Daher sind sie Flüchtlingen gegen­über besonders offen und hilfsbereit.

Christliche und jüdische Hilfsorganisationen unter­stützen die Bevölkerung bei ihrer Hilfe. Sie richten in Le Chambon-sur-Lignon und den umliegenden Dörfern Unterkünfte für Geflüchtete ein und schicken Geld und Lebensmittel. Als deutsche Truppen im November 1942 auch Süd­frankreich besetzen, treffen immer mehr Flüchtlinge ein. Dank der Unterstützung der einheimischen Bevöl­kerung können die meisten von ihnen überleben. Bei einer Razzia durch die deutsche Feldgendarmerie im Juni 1943 werden jedoch 18 junge Männer fest­genommen, darunter sechs Juden.

Judenverfolgung in Frankreich

Im Juni 1940 besetzen deutsche Truppen Nord- und Westfrankreich. Seit Sommer 1942 werden Deportationen in die Vernichtungsstätten im Osten durchgeführt. Die französische Regierung im unbe­setzten Süden des Landes verschont zunächst französische Jüdinnen und Juden. Staatenlose und ausländische Jüdinnen und Juden interniert sie in Lagern und liefert viele in die deutsch besetzte Zone aus. Als deutsche Truppen Ende 1942 auch den Süden besetzen, sind sämtliche Jüdinnen und Juden in Frankreich von Deportationen bedroht. Insgesamt wird ein Viertel von ihnen, etwa 76.000, verschleppt und ermordet.

Tradition des Helfens

In der abgelegenen ländlichen Gegend des Plateaus Vivarais-Lignon haben sich einst verfolgte Hugenottin­nen und Hugenotten angesiedelt. Deren Nachfahren bieten verfolgten Jüdinnen und Juden Schutz. Protes­tantische Pfarrer wie André Trocmé und Édouard Theis rufen ihre Gemeinden dazu auf, Geflüchteten zu helfen. Hilfsorganisationen unterstützen vor Ort. Sie erwirken die Freilassung jüdischer Kinder aus Internierungslagern und bringen sie auf das Plateau.

„Ich machte mir zwangsläufig Notizen, weil ich mir ja nicht alles merken konnte über die Kinder, die ich hier und da unterbrachte! Oder auch, was ich auf die nächste Reise mitnehmen musste: Wäsche, Brotmarken. Wissen Sie, diese Bauern verlangten sehr kleine Summen: fünf Francs Pension für ein Kind, das war billig. Sie machten damit ganz bestimmt keinen Profit.“

Madeleine Dreyfus in einem Interview, 1980er Jahre

Razzia in „Les Roches“

Ab dem Sommer 1942 ist auch Le Chambon von Razzien bedroht. In der Regel erhält die Gemeinde jedoch eine Warnung, vermutlich von einem Mitarbeiter der Polizeipräfektur. So können sich die Jüdinnen und Juden rechtzeitig verstecken.

Am 29. Juni 1943 jedoch nehmen Angehörige der deutschen Feldgendarmerie im Studentenheim „Les Roches“ 18 junge Männer fest. Die sechs Juden unter ihnen werden in das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert, der Heimleiter Daniel Trocmé in das KZ Buchenwald.

„Wir wissen nicht, was ein Jude ist. Wir kennen nur Menschen.“

André Trocmé zum Präfekten des Departements Haute-Loire, August 1942

zurück